1945 Am 30. April zieht die Rote Armee in Wolgast ein. Die Wilhelmschule wird Kommandantur, die Turnhalle bis zum Sommer 1946 als Garage und als Depot für eingezogene Fahrräder, Radios und Kameras genutzt. Laut Befehl der SMAD soll der Unterricht in der sowjetischen Besatzungszone am 17. September wiederaufgenommen werden. An der Wilhelmschule beginnt er erst am 14. Oktober, da einige Räume erst noch freigezogen werden müssen. Seitdem beginnt das Schuljahr in Deutschland im Herbst statt zu Ostern.
 1946 Ein Gesetz über die Schulreform wird erlassen und damit die Wilhelmschule zur Oberschule, später „Erweiterte Oberschule“ genannt. Es werden wieder Geschichte und Sport unterrichtet, allerdings bleiben Kommandosprache und Ordnungsformen verboten. Der Religionsunterricht wird aus der Schule verlagert, er ist Angelegenheit der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Es wird fortan eine Schulspeisung angeboten, die zunächst aus einem Brötchen (5x die Woche), einem Stück Kuchen für 0,05 Mark (1x die Woche) und warmem Gerstenkaffee besteht. Ab 1955 erhalten die Schüler ein warmes Mittagessen für 0,55 Mark. Russisch wird die erste Fremdsprache.
 1935 Am Tag des deutschen Volkstums findet ein Volksliedersingen auf dem Lustwall statt. Neun Prüflingen wird die Reife für die Obersekunda bestätigt. (Drei Jahre später legen erstmals acht Schüler die volle Reifeprüfung abgelegt.)
 1947 In jeder Schule ist eine Schulchronik zu führen. Lehrer werden dazu verpflichtet, Volkskunst und Kulturerbe zu sammeln und so vor der Vernichtung zu bewahren. Der Schulrat ordnet an, dass für evangelische Schüler der Reformationstag, für katholische Fronleichnam und für jüdische Passah, Jom Kippur und das Laubhüttenfest unterrichtsfrei sind.

 

 

 1949 Im Kampf um die Einheit Deutschlands schreiben die Schüler unter Anleitung der Lehrer Briefe an westdeutsche Schüler. Politisch-ideologische Auseinandersetzungen führten dazu, dass einige Schüler vom Besuch der Oberschule ausgeschlossen. An der Wilhelmschule werden die Schüler D. Blohm, U. Bartsch, K. Pilzäcker, E. Grünberg, J. Hildebrandt und die Lehrerin für Deutsch und Geschichte Frau Dr. Kornelius im August festgenommen, zunächst nach Wolgast, dann nach Greifswald in das Gefängnis in der Domstraße verbracht, danach nach Schwerin in die Demmlerstraße. Dietrich Blohm wird von der Sowjetischen Militäradministration wegen antisowjetischer Propaganda und illegaler Gruppenbildung zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt, wovon er 7 Jahre und 7 Tage absitzen muss. Frau Dr. Kornelius wird zunächst ins ehemalige KZ Sachsenhausen und 1951 ins Frauenzuchthaus nach Hoheneck verbracht. Nach seiner Entlassung flieht Dr. Blohm nach Westberlin, wo er die höhere Beamtenlaufbahn einschlägt. Am 28. Juni 2000 wird er durch das 3. Bezirksmilitärgericht in Moskau rehabilitiert. Nach der Wende siedelt sich Blohm wieder in seinem Vaterhaus in Wolgast an. Nachdem der Druck der sowjetischen Militärbehörden und des NKWD nachlässt, unterbleiben Repressionen an der Schule. Erzieherische Einflussnahme steht im Vordergrund. Einige Schüler werden zum Teil aus politischen Gründen DDR-weit vom Oberschulbeschluss generell ausgeschlossen. An der Wolgaster Schule ereignet sich kein solcher Fall. Ein Schulausschluss wird höchstens angedroht, aber nie vollzogen. So erscheint eine Schülerin nach dem Maitanz erst früh um 5 Uhr im Internat, nach zwei Diebstählen wird ein Schüler nach Franzburg versetzt. Auch eine Schülerin, die aus familiärer Notlage heraus 500 Mark der Schulspeisung veruntreut, darf sich bewähren – sie zahlt die Summe in Raten zurück. Eine andere Schülerin trinkt eine Flasche Alkohol im Internat. Am 7. Oktober wird die Deutsche Demokratische Republik gegründet.
 1950 Dusch- und Waschräume werden geplant und fertiggestellt. Die bisherigen Toiletten waren nicht an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen. Die Geruchsbelästigung war so groß, dass im Sommer die Fenster nicht geöffnet werden konnten. Die Schüler sammeln Schrott und Buntmetall zur Erfüllung des 5-Jahresplans. vom 25. bis 30. Mai gibt es wegen des Deutschlandtreffens der FDJ schulfrei. Die ehemaligen Schüler der Wilhelmschule, die in der BRD wohnen, versammeln sich bis 1989 in Soltau zum Traditionstreffen.
 1951 Ein Mitschurin-Garten wird angelegt.
 1952 Wolgast wird Kreisstadt und erhält ein Schulamt. Anlässlich des Besuches durch Wilhelm Pieck beschließt die Wolgaster Stadtverordnetenversammlung, die Schule in Wilhelm-Pieck-Schule umzubenennen. Der Name gerät aus unerfindlichen Gründen in Vergessenheit. Die Schulleitung bittet um finanzielle Mittel, um die unzureichenden sanitären Zustände im Mädcheninternat in der Ernst-Moritz-Arndt-Straße 4 zu beheben.
 1953 Nachdem bedürftige Kinder bereits Erziehungsbeihilfe erhalten haben, gilt nun die Schulgeldfreiheit für alle Schüler.
 1958 Der polytechnische Unterricht, später „Unterricht in der Produktion“ (UTP) und „Praktische Arbeit“ (PA), wird eingeführt. Leben und Schule sollen enger verbunden werden. Die Oberschüler fertigen auf der Peene-Werft, dem Patenbetrieb der Schule, wissenschaftlich-technische Hausarbeiten an.
 1961 Das Schulamt entlässt des Lehrer Oskar Tennigkeit aus politischen Gründen. Die Maßnahmen vom 13. August 1961 veranlassen ihn, am 12. September eine Erklärung abzugeben, in der er aufrichtig vor den Gefahren des Kalten Krieges warnt und besonders die Verantwortung des deutschen Volkes hervorhebt: „Es ist tragisch, dass das deutsche Volk nach 1945 der Welt kein besseres Beispiel des Zusammenlebens auf Grund der Lehren der Vergangenheit gegeben hat. Noch wäre es Zeit, von dem bisherigen Weg des Hasses, der Verhetzung und Bedrohung umzukehren. Das gilt in gleicher Weise für den Osten wie für den Westen.“ Auch vor dem Pädagogischen Rat am 15. September bleibt er in Gegenwart von Vertretern des Bezirkes Rostock seiner Überzeugung treu. Er wird entlassen und arbeitet u.a. im Wolgaster Hafen. Körperlich und seelisch gebrochen stirbt er 1968. Etwa 50 Jahre später widmen sich Schüler der Schule dem Schicksal Oskar Tennigkeits und es entsteht in Zusammenarbeit mit dem Förderverein für demokratische Medienkultur ein 30-minütiger Film, der auf dem Jugendmedienfest in Neubrandenburg ausgezeichnet wird.
 1963 Im Kreis Wolgast bestehen noch 63 Schulen, darunter 49 Kleinschulen, wie in Klotzow und Pulow.
 1966 Auch die parteilosen Lehrer werden zum Parteilehrjahr eingeladen; die Teilnahme ist so gut wie Pflicht. Thema des diesjährigen Parteilehrjahres: Die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung.
 1967 Die Schüler absolvieren eine Großübung in der vormilitärischen Ausbildung; die Lehrersollen als Beobachter teilnehmen.
 1970 Im Kreis Wolgast gibt es 17 polytechnische Oberschulen (POS), eine Erweiterte Oberschule (EOS) und eine Hilfsschule. Eine Auswahl von Schülern der POS wechselt nach der 8. Klasse an die EOS.
 1972 Schüler, die das Abitur mit Auszeichnung bestanden haben, werden seit diesem Jahr mit der Lessing-Medaille geehrt.
 1975 Die Schule gibt sich den Namen des Spanienkämpfers und antifaschistischen Widerstandskämpfers Artur Becker. Aus diesem Anlass entsteht ein neues Schulwappen, ein Gedenkstein wird enthüllt.
 1981 Die POS haben ein solches Leistungsniveau erreicht, dass die Schüler erst nach der 10. Klasse an die EOS delegiert werden. Auch Pastorenkinder können die EOS besuchen, wie z.B. Simon aus Zirchow oder Johannes Burmeister aus Lassan, welcher jedoch trotz bester Leistungen ablehnt.
 1985 Wolgast hat 7 Oberschulen, davon 5 Neubauten, die während der letzten 20 Jahre entstanden sind. Insgesamt 2830 Schüler werden unterrichtet. Die durchschnittliche Klassenstärke beträgt 26 Schüler.
 1989 Am 1. September wird das Schuljahr mit einem Appell zu Ehren des Weltfriedenstages eröffnet. Die EOS „Artur Becker“ nimmt erfolgreich an der „Messe der Meister von morgen“ und an den Wissensolympiaden in Mathematik, Russisch und Physik teil.

Hinweis: Die Chronik erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. (Quelle: Jubiläumsschrift, 2008)